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Kommunikation will geübt sein

Der zwischenmenschliche Austausch führt immer wieder zu Missverständnissen. Auch und gerade, wenn es um die Beurteilung von Leistung geht. Digitale Kanäle und die Verwendung von Abkürzungen machen die Sache nicht einfacher.
Veröffentlicht am 02.10.2019

Sie haben es vielleicht schon erlebt: Da macht man sich voll der guten Laune auf in die Kanzlei – man sprüht geradezu vor Energie und Tatendrang. Doch kaum angekommen, erfährt die gute Stimmung einen ordentlichen Dämpfer: Der Mandant, für den man den Jahresabschluss eh schon deutlich rascher als geplant erledigen konnte, bemängelt eine Nichtigkeit. Die heute abwesende Kollegin hat unerledigte Aufgaben ohne Rücksprache auf Ihrem Schreibtisch deponiert. Und die Mail, mit der der Chef Ihnen eine nicht ganz so tolle Aufgabe umhängt, kommt ohne „Bitte“ aus. Dafür enthält sie ein deutliches „ASAP“.

Abgesehen von dem Ärger und einem gewissen inneren Widerstand, den solche Geschehnisse akut auslösen, können sich solche Erfahrungen auf Dauer als ernsthafte Kränkung verankern. Das Erlebte vermag sich negativ auf das Selbstwertgefühl auszuwirken und beeinflusst mittelfristig die Loyalität zum Arbeitgeber.  

Hierarchien verändern Botschaften

Aus diesem Grund sollte nicht nur der gepflegte Umgang der Teammitglieder untereinander ein wichtiges betriebliches Anliegen sein. Auch die Kommunikation der Kanzlei-Führungskräfte bedarf zumindest eines grundlegenden Trainings. Vor allem dann, wenn der Führungsnachwuchs aus den eigenen Reihen rekrutiert wird und sich Betroffene erst an den Wechsel vom einfachen Teammitglied in die neue Funktion gewöhnen müssen. Es geht dabei um ein gewisses Feingefühl, dass manches, was man im Berufsalltag sagt, nun anders verstanden werden könnte.

Besonders, wenn es um Kritik geht: Wer von einem einfachen Mitarbeiter hört, dass eine bestimmte Arbeit nicht gut umgesetzt sei, wird sich eventuell ein bisschen grämen. Wenn eine solche Kritik „von oben“ kommt – insbesondere, falls Feedback sonst eher rar ist – könnte man sich grundlegend in seiner Kompetenz in Frage gestellt fühlen. Umso mehr, wenn es kein persönliches Gespräch gibt: E-Mail oder auch Facebook-Chat lassen nun einmal nicht aus Mimik oder Tonfall auf den Schweregrad der Verfehlung schließen.

Nachfragen, um Missverständnissen vorzubeugen

Als Führungskraft gilt es darum schon vorbeugend, Kritik möglichst positiv zu formulieren, um niemanden zu verunsichern. Ergänzend zum Hinweis auf tatsächliche Unzulänglichkeiten können andere Aspekte der Arbeit hervorgehoben werden, die vielleicht sehr gut sind. Darin steckt die implizite Aufforderung, dieses (bessere) Leistungsniveau künftig in allen Tätigkeitsbereichen anzustreben. Zugleich dürfen Mitarbeitende aber auch dazu angehalten werden, nicht jedes Wort auf die Waagschale zu legen. Und im Zweifel nachzufragen – um Unklarheiten auszuräumen und Missverständnissen vorzubeugen.

Auch im Fall des eingangs erwähnten Mandanten könnte es sein, dass der nur einen Teil der übermittelten Unterlagen falsch verstanden hat. Immerhin ist nicht er der Steuerexperte – sondern Sie. Für einen aufklärenden Hinweis wird er dankbar sein: alles nicht so schlimm.

Vielleicht war auch die Kollegin gar nicht so unverantwortlich, wie es zuerst schien, und es findet sich im Lauf des Tages ein vom Winde verwehtes Post-it unter Ihrem Schreibtisch, in dem sie sich für die Weitergabe der Arbeit entschuldigt und lieb grüßt. Und auch der Chef wollte eigentlich gar nicht seine Macht raushängen lassen: „ASAP“, die Abkürzung für „as soon as possible“, meint für ihn eben exakt das: Sobald es sich für Sie ausgeht. Und nicht: praktisch sofort.